Zwischen Stadttrubel und Landidylle: Wo möchten die Deutschen 2030 wohnen?

Blogpost, 09.09.2022

Ruhe und der Blick ins Grüne oder doch eher vielfältige Kulturangebote und Freiheit in der Anonymität – Stadt und Land bieten nach wie vor unterschiedliche Lebenswelten. Doch wenn man die freie Wahl hätte, wo würde man dann lieber wohnen wollen, auf dem Land oder in der Großstadt? Dieser Fragestellung sind wir im Rahmen der foresight Studie „Zukunftsperspektiven 2030“ nachgegangen.

Bild: Tom Rumble on Unsplash

Status Quo: Die Mietwohnung in der Mittel- bis Kleinstadt, um nahe bei der Familie, aber auch beim Arbeitsplatz zu sein

Aktuell lebt rund die Hälfte der Befragten in einer Mittel- bis Kleinstadt, der Rest verteilt sich anteilig gleichmäßig auf die Großstadt, den Stadtrand bis Vorort sowie schließlich auf ländliche Gebiete und Dörfer. Das Alter spielt hierbei nur eine kleine Rolle. Unter den Jüngeren (unter 40) ist der Anteil, der in der Großstadt wohnt, tendenziell höher, während Ältere sich etwas häufiger auf dem Land niedergelassen haben, doch insgesamt überwiegt das leicht abgeschiedene Kleinstadtleben. Als Wohnsitz dominiert von der Großstadt bis in den Vorort die Mietwohnung (72% bzw. 50%), in der Mittel- bis Kleinstadt halten sich Mietwohnung und das eigene Haus nahezu die Waage, auf dem Land hingegen überwiegt schließlich das eigene Haus (59%).

Bei der Wahl des aktuellen Lebensmittelpunkts spielen dabei grundsätzlich sowohl individuelle Präferenzen als auch praktische Überlegungen eine Rolle. Fast die Hälfte der Befragten nennt die Nähe zur Familie und die Attraktivität der Lage bzw. Umgebung als Hauptgrund, dicht gefolgt von den Wohnkosten. Eine weitere zentrale Bedingung bei der Standortwahl stellten allerdings berufliche Gründe dar. Hierbei zeigt sich ein interessanter Unterschied in Abhängigkeit des Wohnorts: Während 40% der Großstadtbewohner:innen den Wohnort aufgrund der Entfernung zum Ausbildungs- bzw. Arbeitsort gewählt haben, sind es auf dem Land nur ca. 20%.

Der Reiz des Landlebens

Die Entscheidung, wo man sich niederlassen möchte, ist demnach eine komplexe Abwägung, bei der oftmals externe Gründe wie eben die Kosten und die berufliche Anbindung die Oberhand haben. Besonders unter den Großstadtbewohner:innen wird der Eindruck erweckt, dass individuelle Präferenzen angesichts der äußeren Anforderungen wenig Gewicht haben. Doch wie würde die Entscheidung über den Wohnort ausfallen, wenn man die freie Wahl hätte?

Aktuell locken Natur und Abgeschiedenheit mehr als der Trubel der Stadt: Rund 1/3 der Befragten würde am liebsten in ländlichen Gebieten oder Dörfern wohnen, während nur 1/5 die Großstadt vorzieht. Insbesondere die Großstadtbewohner:innen sehnen sich nach einer Veränderung des Wohnorts. Unter ihnen würden 2/3 eine Lage weiter außerhalb präferieren - nicht unbedingt auf dem Dorf, aber zumindest außerhalb der Metropole. Selbst die jüngere Bevölkerung (unter 30) ist nur mäßig am Großstadtleben interessiert. Mit rund 20% ist es zwar der größte Anteil im Vergleich der Altersgruppen, doch auch die Jüngeren sehnen sich insgesamt eher nach ruhigeren Wohnorten. Überhaupt scheint das Großstadtleben fast nur in einer kleineren Gruppe eingesessener Städter Zuspruch zu finden, die Bewohner:innen des Stadtrands, der Kleinstädte und des ländlichen Gebiets bekunden kaum Interesse. 

Am zufriedensten mit der aktuellen Wohnsituation sind hingegen diejenigen, die bereits im ländlichen Raum leben. Mehr als 2/3 von ihnen würden sich vor die Wahl gestellt nach wie vor für das Landleben entscheiden.

Mobile Arbeit als Katalysator des Umzugs ins Grüne

Angesichts des Zwiespalts zwischen der aktuell oftmals noch vorwiegenden Notwendigkeit, für die Arbeit stadtnah zu leben und der überwiegenden Präferenz für das Landleben, wird zukünftig das Ausmaß mobil arbeiten zu können stärker über den Wohnort entscheiden.

Erste Trends zeichnen sich bereits ab. Unter den Selbstständigen und Personen, die ausschließlich im Home-Office arbeiten, ist der Anteil, der am liebsten auf dem Land wohnen würde, besonders hoch. Konkret zeigte sich auch, dass die Möglichkeit, dauerhaft von zu Hause aus zu arbeiten den zweitstärksten Treiber hinter dem Wunsch, in ländlicheren Gebieten zu wohnen darstellt. Unter dieser Voraussetzung würden 47% der Befragten noch lieber weiter außerhalb wohnen wollen. Damit bilden die Arbeitsbedingungen ein entscheidendes Scharnier, um sowohl Arbeitgebenden qualifizierte Mitarbeitende zu sichern als auch die Arbeitszufriedenheit bei diesen zu steigern. 

Bild: Roberto Nickson on Unsplash

Die Zukunft der Großstadt

Trotz dieses deutlichen Interesses, die städtische Lage zugunsten des Landlebens zu verlassen, darf aber nicht vernachlässigt werden, dass innerhalb der gesamten Gesellschaft unterschiedliche Ansichten vorherrschen. In „Zukunftsperspektiven 2030“ haben wir drei Blickwinkel auf zukünftige Entwicklungen und Bedürfnisse genauer betrachtet. Während die Landidylle sowohl für umweltorientierte „Weltoptimierer“ als auch für konservativere, traditionsbewusste „Bewahrer“ einen deutlichen Anreiz bietet, gibt es auch die technikaffineren, flexibilitätsorientierten „Selbstoptimierer“. Sie befinden sich noch stärker in der Lebensplanung, legen hohen Wert auf Erlebnisvielfalt und können daher auch dem Großstadtleben mehr abgewinnen.

Es ist also nicht davon auszugehen, dass Städte in näherer Zukunft plötzlich wie leergefegt sind. Viel mehr stellt die Sehnsucht sich im ländlicheren Gebiet wohnhaft niederzulassen auch eine Chance für die Großstädte dar, sich weiterzuentwickeln, umzugestalten und mehr zu einem zentralen Begegnungsort für Bewohner:innen und Besucher:innen der Stadt zu werden.

Bild: Who's Denilo on Unsplash

Wie werden Menschen zukünftig wohnen, arbeiten und sich fortbewegen wollen?

Mehr zu den Perspektiven der „Bewahrer“, „Weltoptimierer“ und „Selbstoptimierer“ findet ihr in unserem Short Report „Zukunftsperspektiven 2030“.

Basis für die geschilderten Ergebnisse ist eine für Deutschland repräsentative Befragung mit N=1.520.

 

Bilder: Tom Rumble, Roberto Nickson, Who's Denilo on Unsplash